Heute ist der ganze Planet von Menschen bedeckt. Doch eine Genanalyse behauptet, dass unsere Vorfahren vor etwa 930.000 Jahren fast ausgestorben sind. Davor soll es etwa 100.000 Exemplare gegeben haben, durch einen radikalen Klimawandel starben fast alle, es blieben nur 1280 im reproduktionsfähigen Alter. „Etwa 98,7 Prozent der menschlichen Vorfahren gingen zu Beginn des Engpasses verloren, sodass unsere Vorfahren vom Aussterben bedroht waren“, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science.
Geheimnisse des Genoms entschlüsselt
Neu ist die Methode hinter der Studie nicht. Durch die genetischen Varianten in der DNA kann man Rückschlüsse auf die Abstammung und auf alte Populationen ziehen. Durch die Fortschritte in der DNA-Sequenzierungstechnik sind heute immer detaillierte Erkenntnisse möglich. Jedes Genom enthält über drei Milliarden genetische Informationen. Diese Buchstaben werden teils über Millionen von Jahren weitergegeben. So finden sich auch in heutigen Menschen noch Neandertaler-Gene.
Haipeng Li von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai und seine Kollegen haben eine eigene Methode zur Rekonstruktion dieser Evolution entwickelt. Mit FitCoal (für Fast Infinitesimal Time Coalescent) wollen sie die Geschichte einer Population entschlüsseln. Millionen Jahre der Evolution können sie in Zeiträume von Monaten aufteilen. „Es ist ein Werkzeug, das wir entwickelt haben, um die Geschichte verschiedener Gruppen von Lebewesen, vom Menschen bis zur Pflanze, herauszufinden“, sagte Dr. Li. Den Menschen wandten sie sich zu, als genügend Daten vorlagen. Für die Studie verglichen sie die Genome von 3154 Menschen aus 50 Populationen auf der ganzen Welt.
Ihre Frage lautete: Wie kann man die genetische Vielfalt heute bei andererseits starken Übereinstimmungen am besten erklären? Ihre Antwort ist eine Katastrophe vor 930.000 Jahren, bei der fast alle Vorfahren ausgestorben sind und nur eine kleine Gruppe überlebte. Also eine Art Flaschenhals der Evolution, bei dem eine vorhergehend große Vielfalt reduziert wird, um später wieder aufzublühen.
Nur mit Glück überlebt
„Die aus unserer Studie hervorgehenden Zahlen entsprechen denen von Arten, die derzeit vom Aussterben bedroht sind“, sagte Professor Giorgio Manzi, Anthropologe an der Universität Sapienza in Rom und leitender Autor der Studie, dem britischen „Guardian“. „Es war ein Glück, dass wir überlebt haben, aber (…) aus der Evolutionsbiologie wissen wir, dass die Entstehung einer neuen Art durchaus in kleinen, isolierten Populationen erfolgen kann.“
Die Forscher nehmen an, dass es vor dem Zusammenbruch etwa 98.000 reproduktionsfähige Personen gab. Dann brach die Bevölkerung auf nur 1280 Exemplare ein. 117.000 Jahre lang blieb die Gruppe sehr klein, erst danach erholte sich die Population. Das Modell würde auch erklären, warum so wenige Überreste aus dieser Zeit gefunden wurden. Es gab einfach nicht genug Menschen, um viele zu hinterlassen.
Nur eine Gruppe überlebte
Eine globale Klimaveränderung soll zur Krise geführt haben. Damals wurde die Welt kälter und trockener, nur eine isolierte Gruppe konnte diese Zeit überleben. Für die These spricht, dass sich die Vorfahren der Menschen in diesem Zeitraum von ihren Verwandten, den Neandertalern und Denisova-Menschen getrennt haben. Ein Hinweis ist auch eine Veränderung bei den Chromosomen. „Alle Menschen mit 24 Chromosomenpaaren starben aus, während nur die kleine isolierte Population mit 23 Chromosomenpaaren überlebte und die dann von Generation zu Generation weitergegeben wurde“, sagte Ziqian Hao, und ebenfalls Autor Studie.
Die Erkenntnisse sind überraschend und schreiben die Menschheitsgeschichte neu. Doch ist die FitCoal-Methode noch neu. Es wird sich noch zeigen müssen, wie belastbar ihre Ergebnisse sind, wenn mehr DNA-Sequenzierungen von Menschen und anderen Arten vorliegen.
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